Celler Schloss-Gespräch: Wirtschaftsstandort Niedersachsen

Wirtschaftsstandort Niedersachsen – unternehmerische Basis für eine exportstarke Industrie“ lautete der Titel des sechsten Celler Schloss-Gesprächs am 13. März 2018. Niedersachsen ist ein Land mit großem Potenzial, darüber waren sich die Referenten des Abends schnell einig. In der Diskussion über die Herausforderungen kristallisierten sich drei wichtige Aspekte heraus: Infrastruktur, Fachkräftemangel und die Handelsbarrieren, die sich aus den angekündigten Strafzöllen der USA ergeben können.

Zum Auftakt der Veranstaltung sprach Moderatorin Jessica Bloem mit dem „Hausherrn“ im Schloss Celle und Mitveranstalter Harald Becker über die Beiträge der DMAN zum Wirtschaftsstandort Niedersachsen. Die Akademie unterstütze die außenwirtschaftlichen Aktivitäten, indem sie ausländischen Führungskräften neben Fachwissen auch Nützliches über deutsche Mentalität und Gepflogenheiten vermittele, so der DMAN-Direktor. Und sie bringe deutsche Unternehmen regelmäßig in Kontakt mit den Seminarteilnehmenden, woraus sich häufig konkrete Kooperationen ergeben.

Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, machte die Problematik der fehlenden Arbeitskräfte für die niedersächsische Wirtschaft deutlich, indem er einige Zahlen aus der jüngsten Umfrage unter den Metall- und Elektrounternehmen vorstellte. „33 Prozent der von uns befragten Betriebe haben Produktionsengpässe aufgrund des Fachkräftemangels“, sagte Schmidt. „Sie können Aufträge nicht annehmen, weil ihnen schlicht das Personal zur Bearbeitung fehlt.“ Diese Zahl sei vor allem deshalb so gravierend, weil sie sich innerhalb des vergangenen Jahres  verdreifacht habe.

Prof. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, hatte sein Impulsreferat unter den Titel „Niedersachsen in der Globalisierung – Land mit Aussicht“ gestellt. Er gab einen Überblick über die wirtschaftliche Situation niedersächsischer Unternehmen, die optimistischer in die Zukunft blickten als der Bundesdurchschnitt. Die größte Herausforderung für den Standort Niedersachsen sähen die Unternehmen in der unzureichenden Infrastruktur – nicht ungewöhnlich für ein Flächenland. Generell verlaufe die deutsche Konjunktur bisher trotz Trump und Brexit linear, angesichts des drohenden Protektionismus sei es aber umso wichtiger, Handelspartnerschaften zu schließen: „Das CETA-Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada muss im Bundestag ratifiziert werden“, betonte Hüther.

Niedersachsen sei noch nie so stark gewesen wie heute, sagte Ministerpräsident Stephan Weil im zweiten Impulsvortrag des Abends. Es gebe also gute Gründe für ein gesundes Selbstbewusstsein, aber das Land stehe auch vor großen Herausforderungen – insbesondere im Bereich der Infrastruktur: „Es gibt Nachholbedarf bei Verkehrswegen, Datennetzen und Energienetzen“, konstatierte der Ministerpräsident und kündigte an, dass in den nächsten zehn Jahren „viel passieren“ werde, um hier Abhilfe zu schaffen und beispielsweise auch in den ländlichen Regionen bessere Voraussetzungen für die Digitalisierung zu schaffen.

Stephan Weil bestätigte, dass der Fachkräftemangel mittlerweile in nahezu allen Branchen eine Rolle spielt. „Wenn ich jetzt mit Unternehmern spreche, höre ich fast immer die Bitte: Herr Ministerpräsident, sorgen Sie für qualifizierten Nachwuchs.“ Aus seiner Sicht hilft dagegen in erster Linie Bildung. „Unsere Planungen zur beitragsfreien Kita sind dabei ein Baustein. Denn sie sollen nicht nur Familien entlasten, sondern Kinder auch so früh wie möglich in ein gutes Bildungssystem bringen.“

In der Podiumsdiskussion beschrieb Aline Henke, Präsidentin der IHK Lüneburg-Wolfsburg und Geschäftsführerin des Automobilzulieferers Hankensbütteler Kunststoffverarbeitung anschaulich die Herausforderungen eines mittelständischen Unternehmens:  „Wir haben immer sechs bis acht Auszubildende, aber wir müssen mittlerweile sehr viel in die Ausbildung investieren.“ Zum einen, weil die Berufsschulen das geforderte Wissen nicht mehr ausreichend vermittelten; zum anderen, weil die klugen Köpfe an die Uni statt in die Lehre wechselten. Probleme bereite auch die mangelhafte Infrastruktur: „Wir würden unseren Mitarbeitern gern das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen. Aber mit DSL 1000 ist das keine Option.“

Dr. Jörg Nigge, Oberbürgermeister der Stadt Celle, wurde von Moderatorin Jessica Bloem daran erinnert, dass er beim letzten Celler Schloss-Gespräch kurz nach seinem Amtsantritt angekündigt hatte, Celle zur „wirtschaftsfreundlichsten Stadt Deutschlands“ weiterzuentwickeln. Daran arbeite er mit seinem Team und in Zusammenarbeit mit den Celler Unternehmen, so Nigge. Als Beleg für diese Bemühungen erwähnte der OB unter anderem, dass er inzwischen die Wirtschaftsförderung der Stadt von einer auf drei Stellen ausgebaut habe.

Ein weiteres Thema, das an diesem Abend beschäftigte, waren die Strafzölle, die US-Präsident Donald Trump jüngst auf ausländischen Stahl und Aluminium verhängt und für die Einfuhr deutscher Autos angedroht hat. Hüther, der gerade von einem Besuch in den USA zurückgekehrt war, berichtete von einer gespaltenen Stimmung in der amerikanischen Politik. „Auch unter den Republikanern ist dieser Schritt hochumstritten.“

Es gebe also noch viel anzupacken, andererseits sei aber auch viel Zuversicht zu spüren, so das Fazit von Moderatorin Jessica Bloem nach der lebhaften Diskussion.

Musikalisch untermalt wurde die Veranstaltung von der Jazzsängerin Oxana Voytenko und ihrer Band.

Das Get together in den Caroline-Mathilde-Räumen des Celler Residenzmuseums nutzten die Teilnehmenden des Celler Schloss-Gesprächs wie immer zum Erfahrungsaustausch in zwangloser Atmosphäre.

Veranstalter der Celler Schloss-Gespräche sind die Deutsche Management Akademie Niedersachsen und NiedersachsenMetall. Ihr Ziel ist es, den Entscheidern in niedersächsischen Unternehmen Impulse und konkrete Hilfestellungen für ihre Aktivitäten auf heimischen und internationalen Märkten zu geben.

Alle Fotos: Rainer Erhard

Einen Bericht über dieses Celler Schloss-Gespräch finden Sie auch bei CelleHeute.